Fergus Molloy (Fotos) und
Bill Hassall (Text)

Mitte des siebzehnten
Jahrhunderts war Chester (von den Römern gegründet) das
Gewerbezentrum des Nordwestens Englands. Der River Dee wurde aber verschlammt und die Wichtigkeit Chesters ließ
noch weiter nach, als sich die Frühindustrialiserung in
der Nähe des Merseys entwickelte, dessen Gezeitengefälle,
das mehr als zehn Meter ist, das Verschlammen
verhinderte. Von 1670 an belebten die Salzbergwerke von
Cheshire die Schifffahrtsindustrie von Liverpool. Das
Salz wurde in Unmengen zum Kontinent und den Städten der
Ostsee
transportiert. 1715 wurde es in Liverpool möglich, dank
des Baus des ersten wassergefüllten Docks in England,
viel größere Schiffe bedienen zu können. Bevor dieses
Dock gebaut wurde, mussten die Schiffe hoch und trocken
auf dem Strand liegen. Noch mehr Docks und Schiffbau
wurden an beiden Seiten des Merseys eingerichtet.

Die englische Handelsmarine
vermehrte sich sehr im 16. Jahrhundert, als der Einfluss
des Hansebundes, 1241 von Lübeck, Hamburg und Bremen
gegründet, nachließ. Der Hansebund war ursprünglich
gebildet, um die Heringsfischerei der Ostsee auszubeuten
aber nach dem Verschwinden dieser Fische hatte der Bund
den Großteil seiner Einnahmen verloren. Die Kaufleute
des Hansebunds hatten damals Handelsunternehmen in
vielen Häfen, London eingeschlossen, wo ihr Geschick in
finanziellen Angelegenheiten berühmt war. Da wurden sie
die „OSTERLINGS“ genannt, aus dem das Wort „STERLING“
stammt.
1651 legte der englische „Navigation Act“ fest, daß nur
englische Schiffe englischer Exportgüter transportieren
konnten, was die Holländer sehr aufregte und sie sagten
den Krieg an. Viele holländischen Handelsschiffe wurden
beschlagnahmt (fast 3000 davon) und sie vermehrten die
englische Handelsmarine aber erst nachdem die
holländische Kriegsflotte die Themse hinauf gesegelt war
und London bedroht hatte. Von 1689 an gab es bewaffneten
Konflikt mit Frankreich, in welchem ungefähr 2800
englische Handelsschiffe, Kriegsschiffe und Kapernboote
von den Franzosen beschlagnahmt wurden. Seltsamerweise
zog Liverpool aus dieser Lage Nutzen, da viele
Handelsschiffe nach Liverpool umgeleitet wurden, um die
französischen Kriegsschiffe im Ärmelkanal zu vermeiden:
ein Zufall, den Liverpool noch in Friedenszeiten
ausbeutete. Ein weiterer Aufschwung in Liverpools
Exporthandel war die Folge des Baus von Kanälen nach den
industriellen Midlands.
Liverpool hatte im achtzehnten Jahrhundert einen
florierenden Handel mit den amerikanischen Kolonien.
Waren und Stoff wurden exportiert, Zucker und Tabak
wurden importiert. Liverpool trat in den Sklavenhandel
ein, in dem Spanien und Bristol (England) dominierten.
Bristol wurde bald von Liverpool in den Schatten gesetzt
und Liverpool führte den sogenannten „Dreickshandel“ ein.
Das heißt, Schiffe exportierten Waren und Stoff nach
Westafrika um damit Sklaven von den afrikanischen
Häuptlingen zu tauschen. Die Sklaven wurden dann nach
den westindischen Inseln und Virginia verschifft, wo sie
gegen Zucker und Tabak eingetauscht wurden, welche
profitbringende Fracht die Schiffe nach Liverpool
zurückbrachten. 1750 bedeutete ein Vertrag mit Spanien,
dass englische Schiffe das Recht hatten, Sklaven in die
spanischen Kolonien in Südamerika zu transportieren.
Liverpools Kaufleute waren an der Spitze und viele
Vermögen wurden in diesem grässlichen Handel geschaffen.
Jedoch wurde der Sklavenhandel 1808 durch ein vom
Parlament verabschiedetes Gesetz verboten.
Ende des achtzehnten Jahrhunderts war Liverpool der
wichtigste Hafen und das Handelszentrum Westenglands.
Liverpool verschiffte Waren, Stoff, Kohle, Tabak, Zucker
usw. nach Irland und importierte Nahrungsmittel, Rinder
and Pferde.
Andere Gründe, die erklären, warum die Handelsmarine
Mitte des
neunzehnten Jahrhunderts sich so vermehrte, waren der
Ausbruch von zwei Kriegen und die Begleitnotwendigkeit,
Armeen mit Nahrungsmittel zu besorgen. Erstens kam der
Krimkrieg und kurz danach brach der Bürgerkrieg in den
Vereinigten Staaten aus. Die Schiffe der Union und der
Confederacy richteten einander große Schäden an und die
Bedürfnisse der beiden Seiten dieses Krieges wurden von
der neutralen britischen Handelsflotte geliefert. Dank
der Eröffnung des Suez-Kanals 1869 nahm der Handel mit
den Ostindien zu: Singapur florierte, Gewürze und
exotisches Holz, seit dem Altertum sehr gefragt, waren
viel leichter zu erreichen, und die Handelsmarine
vermehrte sich entsprechend. Dampfschiffe waren schon im
frühesten neunzehnten Jahrhundert auf dem Mersey zu
sehen und konkurrierten von 1850 an erfolgreich mit dem
Hochseehandel. Sie waren ganz teuer zu betreiben aber
schnell, während die Segelschiffe billiger waren (der
Wind kostet nichts!) aber langsamer. Doch sie konnten
ökonomisch haltbare Großfrachten verschiffen (z.B.
Getreide) und fuhren weiter bis in das späte neunzehnte
Jahrhundert.
Die Beförderung der Passagiere war im späten
neunzehnten Jahrhundert eine gute Gewinnquelle, an der
sich Liverpool beteiligte. Kolonisten wurden nach
Australien transportiert, viele tausend davon nach der
Entdeckung des Goldes 1851 and auch nach Neuseeland,
Südafrika und Kanada. Sie wurden auf britischen Schiffe
transportiert, die meisten davon aus Liverpool. 1850
hatte die Liverpooler Reederei Cunard den größten Anteil
dieses Handels. Die White Star Line (Eigner der Titanic)
hat ihren Sitz in Liverpool und transportierte
Passagiere nach Australien und Amerika. Von 1870 an
konkurrierten französische und deutsche Firmen auf den
Schifffahrtsstraßen, unter anderen die
Schifffahrtsgesellschaften Hamburg-Amerika und
Norddeutscher Lloyd.
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